Was treibt die Menschen im Irak auf die Straße? Sami Adnan ist einer von Tausenden, die in Bagdad protestieren. Wir haben ihn zu den Gründen der aktuellen Revolte und zu den Hoffnungen seiner Generation interviewt.
Seit dem 1. Oktober finden Proteste und Demonstrationen auf den Straßen Iraks, insbesondere in Bagdad, Basra und anderen südlichen Städten statt. Wer protestiert da?
Eigentlich alle Teile der Gesellschaft. Zum einen die Arbeiterklasse, darunter Arbeitslose und Menschen in fragilen Beschäftigungsverhältnissen. Aber auch Studierende und sogar die Mittelklasse: Staatsbedienstete, Anwält*innen, Kaufleute, Intellektuelle, Universitätsprofessor*innen, Ärzt*innen, etc. partizipieren in den Demonstrationen. 70 Prozent der Demonstrierenden gehören keiner Partei an. Die anderen 30 Prozent sind Parteimitglieder, aber sie erscheinen nicht als Mitglieder ihrer Parteien auf dem Platz. Das Bündnis ist breit – die Unzufriedenheit betrifft fast alle Menschen. Denn im Irak fehlt es im Allgemeinen an einer Grundversorgung, das betrifft alle Menschen, sowohl die Arbeiterklasse als auch die Mittelschicht.
Die mangelnde Grundversorgung ist also Auslöser der Proteste?
Nicht alle Bürger*innen werden mit ausreichend Strom und Trinkwasser versorgt. Das ist ein fundamentales Problem. Das ist aber nicht der ausschließliche Grund für die Proteste. Das Land befindet sich generell in einer Schieflage, wir leiden unter einer hohen Arbeitslosenquote, gerade in der jungen Generation. Offiziell haben wir 13 Millionen Arbeitslose. Aber ich würde sagen, es sind noch mehr – die Hälfte der Bevölkerung oder etwa 19 Millionen Menschen. Außerdem sind die Staatsapparate geprägt von Korruption und Misswirtschaft. Deshalb fordern wir den Sturz des gesamten politischen Systems, das seit der US-Invasion das Land in sektiererische Richtungen teilt und für die meisten Iraker*innen kaum mehr als Gewalt und Armut hervorgebracht hat.Wir wollen Arbeitsmöglichkeiten, eine Arbeitslosenversicherung, Strom, Grundversorgung, ein Ende der Herrschaft der Milizen, ein Ende der Korruption und der Fremdherrschaft – insbesondere der iranischen, aber auch der US-Herrschaft.
Das sektiererische politische System des Irak …… wurde nach der US-Invasion 2003 eingeführt und basiert auf einem Quotensystem für die religiösen Gruppen im Land: die Mehrheit der Schiiten, die Minderheiten der Sunniten, Kurden, Christen. Zwar wird im Irak regelmäßig gewählt, das staatliche System begünstigt aber Korruption, weil es auf Gräben und Tren-nung aufbaut. Bewaffnete Milizen, von denen viele unter iranischem Einfluss stehen, haben so den Staat gekapert und kontrollieren das wirt-schaftliche und politische Leben im Irak.
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